Magyar Könyvszemle   114. évf. 1998. 2.szám   Vissza a tartalomjegyzékhez

FIGYELÕ

Eine kommentierte Bibliographie zur Geschichte der deutschsprachigen Presse vor 1815.[1] Auf fast 2000 Seiten wird in den ersten drei Teilbänden der Bibliographiereihe Deutsche Presse. Biobibliographische Handbücher zur Geschichte der deutschsprachigen Presse von den Anfängen bis 1815 die periodische Literatur Hamburgs, auf etwa 700 Seiten die periodische Literatur des dänischen Altona, ehemals wichtige Nachbarstadt Hamburgs, und der ehemals in der unmittelbaren Umgebung Hamburgs gelegenen Orte Bergedorf, Harburg, Wandsbek, und Schiffbek beschrieben. (Heute sind sie Teil von Hamburg.) Die Bände sind das Ergebnis mehr als zehnjähriger Arbeit von Holger Böning und Emmy Moepps, Mitarbeiter des Instituts „Deutsche Presseforschung“ der Universität Bremen.[2]

Die Bibliographien von Hamburg und Altona sind der erste und der zweite Band einer Bibliographiereihe, die die periodische Literatur des deutschen Sprachgebietes, sowie die deutschsprachige periodische Literatur jener Gebiete bearbeiten wird, die heute nicht auf dem geschlossenen deutschen Sprachgebiet liegen, aber vor 1815 über deutschsprachige Presse verfügt hatten.

Dem Projekt liegt folgende Konzeption zugrunde.[3] Die Bibliographiereihe wird aus Ortsbibliographien aufgebaut, jede Ortsbibliographie ist chronologisch konzipiert. Man verfährt grundsätzlich autoptisch, d. h. es wird angestrebt, von jedem aufgenommenen Periodikum mindestens ein Exemplar in die Hand zu nehmen und mindestens einen gültigen Standort anzugeben. Es werden also keine bibliographischen und Standortangaben älterer Hilfsmittel übernommen, ohne sie zu kontrollieren. Angaben und Darstellungen aus früheren Nachschlagewerken und aus früherer Sekundärliteratur werden sämtlich überprüft und wenn sie übernommen werden, so wird ihr Ursprung für den Benutzer kenntlich gemacht. Durch dieses Konzept hofft man, die äußerst schlechte bibliographische Situation in Deutschland, wo es keine „gewachsene“ Nationalbibliographie und Nationalbibliothek gibt,[4] wo die historischen Drucke in mehreren hundert Bibliotheken und Archiven verstreut liegen, zu verbessern. Dabei versucht man, die Fehler der vorangegangenen Nachschlagewerke zu vermeiden, die nicht autoptisch verfuhren, sondern sich meistens auf Angaben der befragten Institutionen verließen, und man korrigiert ihre falschen oder nicht mehr gültigen Angaben. Außer den Vorgängerbibliographien und der historischen Literatur zu den einzelnen bearbeiteten Orten bildet die Durchsicht der Periodika selbst den Ausgangspunkt für die Sammlung bibliographischer Daten. Daß sich diese Mühe lohnt, zeigt das Beispiel Hamburgs deutlich. Von den Titeln, die die Bibliographie verzeichnet, fanden sich etwa die Hälfte nicht in den bis jetzt vorhandenen Hilfsmitteln, sie wurden nach Anzeigen und Rezensionen in Hamburgischen Periodika ermittelt.

Bemerkenswert ist der weitgefaßte Begriff von ‘Presse’, der der Bibliographie zugrundegelegt wurde. Es werden nicht nur Zeitungen, Zeitschriften und Intelligenzblätter behandelt, sondern es [174 wird „als periodische Schrift alles“ erfaßt, „was über einen gewißen Zeitraum hinweg in regelmäßigen Abständen als Druckschrift herausgegeben wurde“,[5] d. h. auch jährlich erschienene Schriften (Kalender, Almanache, Taschenbücher, Neujahrs- und Weihnachtswünsche u. ä.) und viele Schriften, z. B. zahlreiche Lehrbücher oder auch Romane, „denen der Charakter eines Periodikums weitgehend fehlt, die von den Verlegern aber aus kalkulatorischen Gründen als periodische Schrift vertrieben wurden.“[6] Es wurden alle Drucke verzeichnet, bei denen eine periodische Erscheinungsweise nicht auszuschliessen war. Es wurden also auch zahlreiche Zweifelsfälle aufgenommen, in denen z. B. aufgrund der vorhandenen Daten nicht zu entscheiden war, ob für eine Schrift eine Fortsetzung geplant war, oder Fälle, in denen man nicht feststellen konnte, ob es sich um Periodika oder um „mehrteilige, serienförmige Sammelwerke“[7] handelt. Die vorliegenden Bände sind ein überzeugender Beweis für die Zweckmässigkeit der Entscheidung, sich bei der bibliographischen Verzeichnung nicht auf andere, einengende Definitionen des Begriffs ‘Periodika’ zu verlassen und sich nicht auf einzelne Gattungen periodisch erschienener Drucke zu beschränken. So konnte z. B. die publizistische Bedeutung von einer Gattung periodisch erschienener Schriften, der wöchentlichen Predigtentwürfe aufgezeigt werden, die durch die herkömmlichen Definitionen nicht erfaßt werden. Diese Schriften wurden den Abonnenten jeden Samstag, als Vorbereitung auf die sonntägliche Predigt ins Haus geliefert und stellten im 18. Jahrhundert ein wichtiges Forum, eine Art Ersatzmedium für die konservative Hamburger Geistlichkeit dar, deren Positionen in den etablierten Presseorganen der Stadt kaum vertreten waren.

Joachim Kirchner hat auch schon konstatiert, daß im 18. Jahrhundert manche Verleger versucht haben, sich die Beliebtheit der publizistischen Form ‘Zeitschrift’ zunutze zu machen, indem sie „Bücher, besonders aus dem Gebiet der Jurisprudenz und Theologie“, um ihren Absatz zu erleichtern, „in Fortsetzungen unter Benutzung der äußeren Form der Journale“ herausbrachten, oder Sammlungen von kleineren Schriften einzelner Gelehrter, „um durch die Anähnelung an die Publikationsform der Zeitschriften größere Beachtung, und Verbreitung zu finden, … … unter einem Gesamttitel in zwangloser Folge“ auf den Markt brachten.[8] Im Gegensatz zu Kirchner, der solche Publikationen durch seine Zeitschriftendefinition ausgegrenzt hat, gehen Holger Böning und Emmy Moepps in ihrem Werk auf sie ein. Zurecht, denn was könnte mehr über die Wirkung und die Lebensbedingungen der Publikationsform ‘Zeitschrift’ und mehr über die Publikumserwartungen aussagen, als ihre geschickte, auf wirtschaftlichen Überlegungen basierende Ausnutzung durch Geschäftsmänner? Gerade durch die Behandlung der Zwischenformen und Grenzfälle konnten wertvolle Quellen zutage gefördert werden, die das zeitgenössische Veständnis, die Funktionsweise, den wirtschaftlichen und sozialen Kontext und die Publikumswirkung der periodischen Publikationen näher kennenlernen helfen – und das ist das eigentliche Anliegen dieser kommentierten Bibliographie.

Sie bietet, außer genauen bibliographischen Angaben und außer Angaben zu zeitgenössischen Erwähnungen und zur Sekundärliteratur, sehr viele solche Informationen, die sich auf Vertriebsformen, Rezipientenkreis und Rezeptionsformen beziehen. Es wurde die Verzeichnung der Preise, der Pränumerations- und Subskriptionsmöglichkeiten, die Verzeichnung von Ausgaben in unterschiedlichem Format und unterschiedlicher Papierqualität angestrebt. Besondere Aufmerksamkeit [175 hat man solchen Äußerungen von Verlegern, Herausgebern und Mitarbeitern geschenkt, die ihre Strategien zur Gewinnung von Lesern erkennen lassen. Dabei wird in den Kommentaren häufig aus Vorreden, Anzeigen, Rezensionen oder auch aus archivalen Quellen wie Genehmigungsgesuchen, Briefen u. ä. zitiert. Das Hamburger Pressematerial erlaubt es an vielen Stellen, thematische und stilistische Charakteristika der Berichterstattung einzelner Zeitungen mit der sozialen Zusammensetzung ihres Lesepublikums in Verbindung zu bringen. So gab es immer wieder Unternehmer, die den Konkurrenzkampf mit den etablierten Nachrichtenblättern der Stadt aufnahmen und für neue Zeitungsblätter ein Hamburger Publikum gewinnen wollten. Um das zu erreichen, behandelten sie oft heikle, aus den angesehenen Zeitungen verbannte Themen in ihren Blättern. In manchen Fällen ist auch zu erkennen, daß sie durch ihre Themenwahl und ihren Ton und Stil die unteren Schichten der Stadtbevölkerung ansprechen wollten, also solche Leserkreise für ihre Blätter zu erschliessen suchten, auf deren Ansprüche die etablierten Zeitungen nicht eingegangen waren. Auch dieser Aspekt wird in den Kommentaren der Bibliographie behandelt.

Integralen Bestandteil des Werkes bilden die Personen- und Sachregister. Im „Register der Personen und pressegeschichtlich bedeutsamen Institutionen“ werden biographische Daten zu den Personen geboten, die als Drucker, Verleger, wichtige Beiträger, Herausgeber oder Redakteure eine Rolle im Pressewesen der behandelten Orte gespielt haben, und auch Angaben zu solchen Personen und „Institutionen“ – wie Budhhändler, Buchbinder, Zeitungsbuden, Lesekabinette, Leihbibliotheken –, die eine Funktion bei Vertrieb und Rezeption der periodischen Literatur übernommen haben. In den Kommentaren der einzelnen Titel wird auf Biographisches in der Regel nicht eingegangen, die Angaben zu den einzelnen Titeln müssen also zusammen mit den Angaben des Registers gelesen werden.

Die Kommentare haben die Aufgabe, eine auf Autopsie beruhende Charakteristik der einzelnen Titel zu geben. Häufig wird dabei außer auf programmatische Äußerungen von Verlegern und Herausgebern auch auf zeitgenössische Rezensionen zurückgegriffen, wenn man sie als zutreffend empfunden hat. Falls das behandelte Periodikum nicht erhaltengeblieben und Autopsie nicht möglich war, werden auch Charakterisierungen aus der Forschungsliteratur zitiert, wobei der Aussagewert solcher Stellen sorgfältig erwogen wird. Das gleiche gilt für Rezensionen. Imponierend ist, wie das Wissen, das Holger Böning und Emmy Moepps über die periodische Literatur der behandelten Orte während ihrer Arbeit gesammelt haben, in den Kommentaren zur Geltung gebracht wird. Denn selbstverständlich können die einzelnen Kommentare nicht nur das gerade besprochene Periodikum behandeln, sondern es gerät bei Konkurrenzkämpfen, bei inhaltlichen Anlehnungen an andere Periodika, bei Zensurangelegenheiten oder gerade im Fall von Rezensionen immer wieder ein ganzer Ausschnitt aus dem Pressewesen der behandelten Orte ins Bild. So geschieht auch das Zitieren der Rezensionen nicht mechanisch. Die Stellung des jeweiligen rezensierenden Organs in der Presselandschaft und in den weltanschaulichen Auseinandersetzungen der behandelten Städte wird ebenso mit berücksichtigt, wie eventuelle Konkurrenzkämpfe, die den Rezensenten beeinflußt haben können. Berücksichtigt wird beispielsweise auch die Entwicklung der Rezensionssparte in einer Zeitung, die anfangs anspruchsvolle Rezensionen lieferte, später aber ihre Spalten gegen bestimmte Gebühr auch jenen überließ, die in fingierten Rezension ihre eigenen Produkte hochpreisen wollten.[9] Die Kommentare beleuchten sich gegensetig und ergeben letztendlich, zusammen mit der jedem Band vorangestellten einführenden Studie ein spannendes Lesebuch zur Geschichte der periodischen Literatur, und, durch ihre rezeptionsorientierte Ausrichtung, zugleich ein Lesebuch zur Geschichte des Lesens. [176 Eine unterhaltende Lektüre bieten die Kommentare durch die vielen im Wortlaut zitierten zeitgenössischen Äußerungen. Spannend wird es auch dadurch, daß die Stellen, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Periodikum gefunden, aber von allgemeinerem Interesse sind, im Kommentar jenes Periodikums abgedruckt werden, in welchem oder in dessen Umfeld man auf sie gestoßen ist: es sind allgemeine Äußerungen zu Funktionen, zu Gattungen, zu Vertrieb und Rezeption von Periodika, zu Presserfreiheit und Zensur, Meinungen über das Rezensionswesen, über das Schauspiel oder über literarische Kritik, oder auch sonstige Äußerungen, die für eine sozialgeschichtlich orientierte Literaturgeschichte von Interesse sind. Man hätte von ihnen, als von Bruchstücken, die in diverse Zusammenhänge gehören, ja nicht sämtlich in der einführenden Studie Gebrauch machen können, und es wäre wirklich zu Schade gewesen, sie auszusparen. Der Leser kann also nie wissen, welche interessanten Gegenstände, Meinungen, Zitate im nächsten Kommentar auf ihn warten. Die angenehme Zufälligkeit, die das Lesen des Werkes spannend macht, wird aber durch das „Register der Sachen und Orte“ ausgeglichen, in dem alle Themen, die in den Kommentaren vorkommen, in Schlagworte zusammengefaßt nachgeschlagen werden können.

Im Ganzen bestätigen die vorliegenden Bände die methodischen Entscheidungen, die für die Erstellung der Bibliographie gefällt worden sind. Sowohl das Prinzip „des forschenden Bibliographierens“,[10] als der Aufbau einer nationalen Pressebibliographie als Summe von Ortsbibliographien als auch jenes Ausmaß inhaltlicher Auswertung, das als eine mittlere Position zwischen bloßer bibliographischer Beschreibung und Vollständigkeit anstrebender Inhaltserschließung gewählt wurde, scheinen sich bewährt zu haben. Die Ersteller der Bibliographien von Hamburg und Altona, da sie sich Jahre lang auf die Erforschung dieser Orte konzentrieren konnten, sind wahre Kenner der Stadt- und Pressegeschichte dieser Orte. Einerseits verbürgt erst dies die Korrektheit der bibliographischen Angaben, andererseits konnte in einem Werk, das sich nicht auf die Verzeichnung bibliographischer Daten beschränkt, das ganze Wissen, das bei der Durchsicht der Periodika, der Sekundärliteratur und der Archivalien „anfiel“,[11] in den ausgiebigen Kommentaren und in der einführenden Studie gleich verwertet werden. In der einführenden Studie wird besonders detailliert auf die allgemeinen Voraussetzungen des Pressewesens, vor allem auf die Zensurverhältnisse in den behandelten Orten eingegangen. Durch den Verzicht auf eine vollständige inhaltliche Erschließung, die allerdings, wie Holger Böning überzeugend darlegt, auch unmöglich zu verwirklichen gewesen wäre,[12] wird das Subjektive, das in der Auswahl der Zitate, bei der Entscheidung, was als bemerkenswert mitzuteilen ist, wirksam ist, offen in Kauf genommen. Die einmalige Kenntnis, die die Ersteller der Bibliographie von ihrem Gegenstand besitzen, bestimmt auch die Gesichtspunkte der Auswahl, ihre Gesichtspunkte und Forscherinteressen geben dem ganzen Werk Konsistenz.

Die Pressemetropole Hamburg, wo vor 1815 etwa 10% aller deutschen Presseprodukte (rund 1000 Titel) entstanden waren, verfügte außer überregional verbreiteten Zeitungen, Zeitschriften und literarischen Almanachen (als Beispiele seien nur der Unpartheyische Correspondent, Der Patriot, Lessings Hamburgische Dramaturgie oder der Musenalmanach für 1777(–1800) genannt, letzterer mit Beiträgern wie Klopstock, die Stolbergs, Matthias Claudius, Gleim, Lessing, Moses Mendelssohn u. a. m.) außer zahlreichen Theater- und Musikzeitschriften, auch über eine Unmenge von kurzlebigen, sich mit lokalen Gegenständen befassenden, unterhaltenden Periodika; sie verfügte über unzählige Wochenblätter, Almanache und Taschenbücher, die sich an Frauen und Kinder wandten, und es wurde in Hamburg mit Periodika für alle nur möglichen Adressatengruppen, [177 von den Diensboten über die „Unstudierten“ und „Ungelehrten“ bis zu Angehörigen des „Predigerstandes“ oder zu den „Musikliebhabern“ experimentiert.

Der zweite Band der Bibliographiereihe befaßt sich mit dem Pressewesen Altonas und einiger an Hamburg angrenzender kleinerer Orte. Allen Orten, die im zweiten Band behandelt werden, ist gemeinsam, daß sich die Entwicklung ihres Pressewesens nicht unabhängig von dem Hamburgs denken läßt. In diesen Orten eröffnete sich die Möglichkeit, solche Organe zu schaffen, die von der Hamburger Zensur frei waren, aber auf das Interesse des Hamburger Publikums rechnen konnten. Es ist eine wichtige Erscheinung für das territorial zersplitterte Deutschland, daß man sich dort in den heimatlichen Zeitungen meistens viel besser über die inneren Angelegenheiten der Nachbarstaaten als über die Politik der eigenen Regierung informieren konnte. Dies war auch in Hamburg der Fall, wo die Politik des hamburgischen Senats eine Tabuzone für die Zeitungsberichterstattung war. Im zweiten Band der Bibliographiereihe wird überzeugend dargestellt, wie die Zeitungsherausgeber die Freiräume auszunutzen versuchten, die durch die von der hamburgischen abweichenden Zensurpraxis (diese ergab sich aus den unterschiedlichen Empfindlichkeiten der einzelnen Obrigkeiten) in Altona, Wandsbek, Schiffbek und Harburg entstanden waren. Im unter dänischer Hoheit stehenden Altona waren sogar Organe entstanden, die nicht nur auf ein Hamburger Publikum rechnen durften. Eine Zensurpraxis, die von der in Deutschland üblichen abwich, hat hier, besonders nach dem Ausbruch der französischen Revolution, das Erscheinen von Periodika ermöglicht, die die Stadt in den Augen der deutschen Konservativen zu der Heimstätte der gefährlichsten Pressefreiheit machte, „von woher die giftigsten Anfälle auf Religion, Fürsten und deutsche Verfassung, wie aus einem Bombenkessel unaufhörlich auf das übrige Deutschland geworfen werden.“[13]

Die Bibliographie ist ein beeindruckendes Produkt jener Bemühungen, die in Deutschland seit den 50-er Jahren auf die bibliographische und inhaltliche Erschließung und Dokumentierung des historischen Pressematerials gerichtet sind. Diese Bemühungen erleichtern den Zugang der Forscher zu einer für die historisch arbeitenden Disziplinen äußerst wichtigen Quellengruppe, sie haben bedeutende neue Erkenntnisse gebracht und rütteln an weitverbreiteten Vorurteilen und Klischees, die die Einstellung der Wissenschaftler zur historischen Presse auf weiten Strecken bestimmt haben. Klischees, deren viele ihre weite Verbreitung Jürgen Habermas’ berühmtem Werk „Strukturwandel der Öffentlichkeit“[14] verdankt haben, beispielsweise das von der Entstehung einer literarischen Öffentlichkeit, die einer politischen Öffentlichkeit vorausgegangen sei,[15] vom Inhalt der deutschen Zeitungen des 17. Jahrhunderts als Sammlung von belanglosen Informationen, [178 mit hohem Anteil der Wunder- und Sensationsmeldungen; oder von den frühen Zeitungen, die als nur Foren einer „repräsentativen Öffentlichkeit“ funktioniert hätten, anstatt die Leser zu informieren.[16] Die Erforschung des historischen Pressematerials, deren Notwendigkeit in Deutschland nun fast allgemein anerkannt wird, ermöglicht – diese Überzeugung leitet auch die Mitarbeiter der „Deutschen Presseforschung“ – grundlegende neue Erkenntnisse über die Genese der neuzeitlichen europäischen Gesellschaft, und ist insbesondere für die Aufklärungsforschung eine unerschöpfliche Quelle von immenser Bedeutung. Auch das in den besprochenen Bibliographiebänden von Holger Böning und Emmy Moepps vorgelegte Material ermöglicht erhebliche neue Erkenntnisse, vor allem für die Lesergeschichte und für die Gattungsgeschichte der periodischen Literatur – auf einige von ihnen wird in der Bibliographie auch hingewiesen. Die Bibliographie der Presse Hamburgs und seiner Umgebung ist also ein Werk, das keineswegs nur ortsgeschichtliche Bedeutung besitzt. Schon aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn das Werk auch in ungarischen Bibiliotheken zugänglich wäre. Die ganze Bibliographiereihe, als deren Teil bereits auch die Bibliographie der zweitgrößten deutschen Pressestadt Leipzig im Werk ist, wird unumgehbares Nachschlagewerk sein für die Erforschung von solchen kulturellen Wechselwirkungen, die einen Bezug auf Deutschland haben.

Bódyné Márkus Rozália


[1] Böning, Holger: Deutsche Presse. Biobibliographische Handbücher zur Geschichte der deutschsprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815. Bd. 1. Böning, Holger–Moepps, Emmy: Hamburg. Kommentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender und Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodischer Schriften. Bd. 1.1. Von den Anfängen bis 1765. LIX u. 758 S.; Bd. 1.2. 1766–1795. 808 S.; Bd. 1.3. 1796–1815. 390 S. und 462 S. Register. frommann-holzboog, Stuttgart–Bad Cannstadt, 1996. Bd. I 2. Böning, Holger–Moepps, Emmy: Altona–Bergedorf–Harburg–Schiffbek–Wandsbek. LV u. 682 S. und 250 S. Register. frommann-holzboog, Stuttgart–Bad Cannstadt, 1997.

[2] Zu Geschichte und Tätigkeit des Instituts vgl. Magyar Könyvszemle 1995/1. S. 102–106.

[3] Siehe hierzu außer den einführenden Hinweisen in der Bibliographie auch: Böning, Holger: Pressebibliographie und Presseauswertung. = Relation. Medien–Gesellschaft–Geschichte. 1994/1. S. 109–140.

[4] Böning: Pressebibliographie und Presseauswertung. S. 119.

[5] Bd. 1/1. Hinweise für den Benutzer der biobibliograhischen Handbücher zur deutschen Presse. S. IX.

[6] Ebda. S. IX.

[7] Ebda. S. XI.

[8] Kirchner, Joachim: Die Grundlagen des deutschen Zeitschriftenwesens. Mit einer Gesamtbibliographie der deutschen Zetischriften bis zum Jahre 1830. Erster Teil: Bibliographische und buchhandelsgeschichtliche Untersuchungen. Leipzig, 1928. S. 18–19.

[9] Deutsche Presse. Bd. I/3. Hamburg, Sp. 1657.

[10] Böning: Pressebibliographie und Presseauswertung. S. 125.

[11] Böning: Pressebibliographie und Presseauswertung. S. 123.

[12] Böning: Pressebibliographie und Presseauswertung. S. 116–117.

[13] Eudämonia oder deutsches Volksglück, Jg. 1797, Bd. 4. S. 160., zitiert nach S. XVII von Bd. 2. der Bibliographiereihe „Deutsche Presse“, wo es als Motto zu der „Einführung in den zweiten Band der biobibliographischen Handbücher der deutschen Presse: Altona, Bergedorf, Harburg, Schiffbek und Wandsbek“ steht.

[14] Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. (1. Auflage) Neuwid 1962.; hierzu vgl. Welke, Martin: Gemeinsame Lektüre und frühe Formen von Gruppenbildungen im 17. und 18. Jahrhundert: Zeitungslesen in Deutschland. In: Dann, Otto (Hrsg.): Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich. München 1981. sowie die Studien in: Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. (Studien zur Publizistik. Bremer Reihe. Deutsche Presseforschung. Bd. 23.) München, 1977. und Presse und Geschichte II. Neue Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. (Studien zur Publizistik. Bremer Reihe. Deutsche Presseforschung. Bd. 26.) München–London–New York–Oxford–Paris, 1987.

[15] Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. (2. Auflage) Neuwied, 1965., besonders Kapitel II.: „Soziale Strukturen der Öffentlichkeit“, S. 38–68.

[16] Ebda. Kapitel I. § 3.: „Zur Genese der bürgerlichen Öffentlichkeit“ S. 24–37., besonders: S. 26–27. und 31–32.